Kirchenmusik

1. Kirchenmusik, Liturgie und Identität
Kirchenmusik ist ein integrativer Bestandteil der römisch-katholischen Liturgie, was auch in der Liturgiekonstitution „Sacrosanctum Concilium“ des Zweiten Vatikanischen Konzils deutlich zum Ausdruck kommt (Art. 112). Das heißt, dass Kirchenmusik nicht bloß schmückendes Beiwerk, sondern Gottesdienst selbst ist.
In besonderer Weise zeichnet sich Kirchenmusik dann aus, wenn sie darüber hinaus auch zur Bildung christlicher Identität beiträgt und für den Ort, an dem für sie Sorge getragen wird, von besonderem Interesse im Sinne einer reichen und langandauernden Tradition ist.
Beide Aspekte sind in der Kirchenmusikpflege der Pfarre Ebensee in hervorragender Weise verwirklicht.
Dies ist durchaus im Zusammenhang mit der besonders intensiven Brauchtumspflege in den Gemeinden des Salzkammerguts zu sehen, die untrennbar mit der den Bewohnern dieser Region eigenen Mentalität verbunden ist. Das spezifische Repertoire der in Ebensee gepflogenen Kirchenmusik steht in diesem Sinn ebenfalls in engem Zusammenhang mit der Heimatverbundenheit der Bevölkerung.
Dabei sind Aspekte wie die persönliche Glaubensüberzeugung bzw. die kirchliche Sozialisation keineswegs unbedingte Voraussetzungen für die zweifellos vorhandene identitätsstiftende Bedeutung der Ebenseer Kirchenmusiktradition.
Dass in einem Ort von der Größe Ebensees mit der Weihnachtsvesper am Heiligen Abend eine hochliturgische Form mit passender Kirchenmusik aufrechterhalten wird, die ansonsten nur in ganz wenigen Domkirchen unseres Landes in ähnlicher Weise stattfinden kann, beweist deren absolut singuläre Bedeutung.
Die gesamte Kirchenmusik in Ebensee wird von den Musikerinnen und Musikern aller Alters- und Ausbildungsstufen ehrenamtlich geleistet. Dies ist in einer von Kommerz und Profit geprägten Gesellschaft ein weiterer schlagender Beweis für die identitätsstiftende Kraft einer lebendigen Tradition.
2. Repertoire
Das spezifische Repertoire der Ebenseer Kirchenmusikpflege entspricht nur bedingt der derzeit gängigen Praxis an Orten mit einer lebendigen Kirchenmusik im österreichischen Raum.
Dass aber neben Werken der klassischen Vokalpolyphonie und der Wiener Klassik gerade Komponisten des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts (Cäcilianismus, Romantik) aufgeführt werden, ist ein Spezifikum, das dazu beiträgt, dass ein kirchenmusikalisches Repertoire weitertradiert wird, das sonst in Vergessenheit geraten würde. Dabei ist bemerkenswert, dass durchaus konträre Stilrichtungen wie der Cäcilianismus als Fortführung der klassischen Kirchenmusik als auch die romantische Schule Berücksichtigung finden. Es wird also keine irgendwie ideologisch geartete Stilreinheit angestrebt.
Absolute Besonderheiten sind zweifellos die Rorateämter mit der Landmesse von Ferdinand Schubert und die Weihnachtsvesper von Joseph Ignaz Schnabel. Ebenso verdienstvoll ist die Pflege der bedeutenden oberösterreichischen Komponisten Johann Evangelist Habert, Ignaz Steininger, Franz Xaver Müller und Joseph Vockner.
Die Ebenseer Krippenlieder, die sowohl in handschriftlichen als auch gedruckten Sammlungen vorliegen und die musikalisch in der Tradition der Wiener Klassik stehen, sind Ausdruck des einzigartigen weihnachtlichen Brauchtums im Salzkammergut.
In Ebensee setzt sich die Reihe der aufgeführten Kompositionen fort bis in die Gegenwart, vor allem durch die Berücksichtigung heimischer Komponisten. Dies ist ein kräftiges Zeichen dafür, dass sich die örtliche Tradition nicht bloß auf eine Pflege überkommener Werte beschränkt, sondern um Fortschreibung in eine lebendige Zukunft bemüht ist.
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Die Bedeutung dieser außergewöhnlichen Tradition, welche gleichermaßen umfassende Musikpflege, liturgisches Einfühlungsvermögen, ehrenamtliches Engagement und Heimatliebe verbindet, scheint mir evident.
MMag. Klaus Sonnleitner CanReg